Der Januar in Togo
30.01.2022
Zunächst einmal und zur Begrüßung ein Bild von Elom für Julia und Meike (keiner will verstehen, dass sie "Meike" und nicht "Maikel" heißt). Elom schreibt "Love" in die Blüten ihrer Blume und darunter "je t'aime" (also: "ich liebe Dich"). Julia und Meike haben sich unheimlich darüber gefreut und es auch gleich Abel gezeigt.
Was ein Fehler war, wie sich zeigen sollte, denn als verantwortungsbewusster "grand frère" war es seine Pflicht, die arme Elom sofort auf Schreibfehler hinzuweisen (Französisch lernt man ja erst in der Schule, Muttersprache ist Ewe), sie darauf aufmerksam zu machen, dass die Blume ja überhaupt nicht aussieht wie eine, die er in seinem Leben jemals schon gesehen hätte und überhaupt solle sie sich etwas mehr Mühe geben und es gleich nochmal machen.
Puh. Tja. Die arme Elom.
Bei uns würde man vielleicht sagen: "Jede gute Tat wird bestraft!" 😂
Zur Erinnerung: das ist Elom, gemeinsam mit Julia in meinem Blogbeitrag vom Ende Oktober:
Der große Schmerz ist überwunden
Ursprünglich ging ich davon aus, dass das Heimweh allein für Julia ein (bereits ausreichendes) Problem darstellen würde, die Wirkung des Kulturschocks habe ich dabei vollkommen außer Acht gelassen, dabei war dieser wie ein Multiplikator für das Heimweh. Aber ich würde mal sagen, den Kulturschock hat Julia mit dem Beginn des Januar endlich überwunden und damit auch das Heimweh auf ein erträgliches Maß zurechtgestutzt. Ein Quartal hat's gedauert, und das war lang und hart.
Abschied von der Intensivstation
Nun ist auch der Januar schon herum und mit ihm übrigens auch der Aufenthalt in der ersten Station im Krankenhaus (siehe meinen Post vom Ende Oktober):
Julia erzählte, dass selber überrascht war, wie schnell der Januar vergangen ist. Eben war noch Monatsanfang und man dachte darüber nach, was man zum Abschied in der Abteilung machen wollte, und auf einmal heißt es: Hey, morgen ist Dein letzter Tag! Oh shit, jetzt aber schnell was besorgt! Wie das in Deutschland so üblich ist wollte Julia zum Ausstand einen ausgeben und hat dann ein bisschen was zu knabbern und Limo besorgt (kommt so wohl ganz gut an in Togo). Dabei hätte sie fast einen bösen Fauxpas begangen, als sie die wenigen Dinge im "Schwesternzimmer" (soweit ich verstanden habe, ist das ein nur mit Tüchern abgegrenzter Bereich) einfach ablegen wollte. Glücklicherweise war dort gerade ein Pfleger, dem sie davon erzählte. Dann kam das togoische Pendant zu einem Stationsarzt dazu, dem nun der Pfleger umgehend davon berichtete. Und jetzt gings richtig los. Der Stationsarzt schnappte sich Julia. der Pfleger die Limo und Snacks und es ging schnurstracks zum Oberarzt. Dem wurde ebenfalls berichtet, was Julia vorhatte und man übergab ihm Snacks und Limo ... denn in Togo ist es absoluter Usus, dass das jeweilige Oberhaupt die Dinge an sich nimmt und nach eigener Maßgabe an die Gruppe verteilt. #Uff#, dass hätte schiefgehen können ...
Na, jedenfalls ist Julia dann ab Montag in der Pädiatrie.
Ich hatte Julia gebeten, mal einen typischen Arbeitstag zu dokumentieren. Das hat sie für mich/für uns gemacht und das Folgende dazu geschrieben:
18.01.22 - ein Arbeitstag in Togo
05:45 Uhr - aufwachen/aufstehen/Toilette
06:00 Uhr - anziehen
06:10 Uhr - Frühstück (Brot + PureWater *)) (Lucie holt immer Brot aus dem Centre das die Kinder morgens geholt haben, da sie früher wach ist als ich)
06:24 Uhr - Zähneputzen/ Arbeitszeug zusammen suchen (Klamotten, Heft, Stifte,...)/ Toilette
06:38 Uhr - los zur Arbeit
07:00 Uhr - Arbeitsbeginn
Jetzt muss ich mir Arbeit suchen. Meistens arbeite ich mit Angele. Sie ist manchmal in den Sälen und manchmal in dem was ich ,,Baraque" nenne weil ich nicht weiß wie es wirklich heißt. Wie auch immer auf Angele warte ich immer bis zwanzig vor acht. Vorher gucke ich mir verschiedene Sachen an und assistieren anderen. In den Sälen machen wir erst eine Schichtübergabe, dann die ganze ,, Soigne" die anfällt. Heißt Medikamentengabe für den Vormittag. Dann muss das ,,Serome" also durchgelaufene Infusionen nur noch später gewechselt werden.
In der Baraque misst man Vitalparameter für die Ärzte oder um die Werte einfach zu kontrollieren. Außerdem gibt man hier die Antibiotika oder andere Medikamente wenn die Personen nicht als Patient aufgenommen (hospitaliser) werden. (Quasi wie beim Hausarzt). Das macht man dann die ganze Schicht lang bis 12 Uhr.
Ab 12 Uhr gibt es fast nirgendwo im Krankenhaus Arbeit und die meisten gehen für eine Pause von 2-3h nach Hause. Meistens bin ich in der folgenden Stunde auf Instagram, lese mir Patientenakten durch, vervollständige Notizen in meinem Notizheft oder quatsche ein bisschen mit den Kollegen. Meine Kollegen laden mich auch oft zum Essen hier ein. Das ist echt cool und super lieb. Wenn ich nicht mit esse sind sie immer beleidigt.
Um genau 13 Uhr gehe ich dann mit Lucie nach Hause. Entweder benutzen wir das Moto wenn jemand von uns Kleingeld hat oder wir gehen zu Fuß. Gleich wenn wir zu Hause angekommen sind Essen wir Mittag. :)
*) PureWater = 0,5 l Trinkwasser aus Plastikbeuteln (siehe auch hier)
Vielen Dank, mein Schatz, für diese Einblicke in den Alltag! :)
Dies ist übrigens ein Bild von Julias Arbeitsweg. Ich finde es gleich aus mehreren Gründen besonders. Schaut euch doch mal die Terrasse rechts genauer an und überlegt, welche Unterschiede es zu einer überdachten Terrasse in Deutschland gibt.
Es gibt in Kpalimé keinen Baumarkt, also auch kaum Bauholz für tragende oder stützende Balken. Also nimmt man einen Baum. Es gibt auch keine (teuren) Blickschutzwände, also baut man sich selber welche aus dünnen Bäumen (bei uns wäre das vermutlich ein Designer-Stück für 300 Euro). Im Ernst: baut euch doch sowas mal ohne Material bei 35 Grad im Schatten. Ich denke, ich läge nur flach auf dem Rücken. Immer.
Und noch ein Punkt ist der tiefe Graben mit seinen kleinen "Brücken". Ohne diesen Graben würde in der Regenzeit vermutlich jedes Haus absaufen. Aber man hat nicht die Mittel, um diese Gräben mit einem Deckel zu versehen. Jede(n) Mitarbeiter(in) in Bau- und Verkehrsamt würde bei einem solchen Anblick in Deutschland spontan der Schlag treffen. Das ist nicht herablassend gemeint. Ich will damit nur sagen: es geht auch so.
Reisevorbereitungen
Aber es gibt noch ein paar andere Dinge zu erzählen. Mein holdes Eheweib Karen hatte schon vor einiger Zeit beschlossen, Julia in Togo zu besuchen. Bislang stand noch nicht fest, wann es soweit ist, aber jetzt ist sogar schon der Flug gebucht. Sie fliegt am Sonntag, 27. Februar, los und kehrt zwei Wochen später zurück. Da wir die etwas teurere Reisevariante "Premium Economy" gewählt haben (mehr Beinfreiheit und zweimal 23 kg Reisegepäck >> macht statt 650,00 dann eben 1.050,00 Euro) plant Karen mit einem Koffer für sich und einem für Julia. Und Julia kann schon mal planen, welche 23 Kilogramm die Mama vorab für sie nach Deutschland transportieren soll.
Kurz gesagt: Ab sofort laufen die Reiseplanungen parallel auf zwei Kontinenten!
Aber es gibt noch ein paar mehr Dinge zu erzählen. Der letzte Post stammt vom 27. Dezember, fangen wir also mit Silvester an.
Silvester
Julia ist am 30. Dezember mit ihren Mädels von ihrem Hotel am Lac Togo nach Lomé gefahren um dort gemeinsam mit den Jungs Silvester zu feiern. Das lief dann anders als erwartet. Es war ein ziemliches Gedränge und es war wieder einmal die weiße Hautfarbe, welche zu Problemen führte. Sie wurden permanent in der Menge und von der Menge bedrängt. Die Jungs hatten ein bisschen Feuerwerk gekauft und so mancher Einheimische wollte es ihnen gerne abnehmen. In einem Kreisverkehr wurde es dann wirklich ungemütlich, die Motos mit den Jungs drauf sind sogar umgekippt und es wurde heikel, bis dann plötzlich und zu Julias großer Erleichterung die Polizei aufgetaucht ist (wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist die örtliche Polizei immer mit Maschinenpistolen ausgerüstet, die auch offen getragen werden). Die Menge zerstreute sich dann schnell.
Verstörende Begegnung in Lomé
Stell Dir vor, der sitzt fünf Meter neben Dir und starrt dich ununterbrochen an. Da war dieser Typ, der sie fast 'ne Stunde lang anstarrte. Julia macht sonst wirklich (leider) nie Fotos von Menschen, aber diesen schrägen und etwas beängstigenden Typen hat sie dann doch für die Nachwelt abgelichtet.
Die ersten Corona-ErkrankungenZwei der Jungs hatten sich noch in Lomé mit Corona infiziert. Sie haben sich dann in einem Hotel selbst in Quarantäne begeben und von einem Restaurant mit Essen versorgen lassen, nachdem der Rest (komplett negativ getestet) wieder nach Kpalimé gefahren war. Eine ausführliche Beschreibung findet ihr in Julias Blog (scrollt da mal runter bis zum Ende Dezember). Auf jeden Fall nimmt die Bevölkerung Corona in Togo nicht besonders ernst. Als Julia einem Arzt in Lomé von der Erkrankung ihrer Freunde erzählte und um einen PCR-Test bat, da sagte man ihr sinngemäß: "Der Arzt ist gerade nicht da, komm doch in ein oder zwei Stunden wieder. Geh doch solange über den Markt oder bummel' durch die Stadt!" ... Hey, feiern wir doch 'ne Corona-Party ... 😟
Unterricht am Straßenrand
Gemeinsam mit Lizanne und Meike nimmt Julia Unterricht bei einem Künstler, der seine Werke in seinem kleinen Atelier am Straßenrand herstellt und verkauft.
Der Künstler (sorry, ich kenne seinen Namen nicht) gibt ein Werk vor und die jungen Damen malen dies mit Unterstützung nach (siehe oben). Nachfolgend sehr ihr, was Julia gemalt hat. Ich finde es cool.
In Togo befinden sie sich derzeit mitten in der Trockenzeit. Das bedeutet nachts Temperaturen von min. 20-23°C und in der Mittagshitze von stetig 36-37°C. In Deutschland geht man dann ins Freibad oder vielleicht in einen Badesee. Aber Freibäder gibt's da nicht und Badeseen in der Trockenzeit natürlich auch nicht. Aber als Yovo hat man eben auch Vorteile, weil man es sich von Zeit zu Zeit erlauben kann Geld für echten Luxus auszugeben, zum Beispiel 2.000 Franc (3 Euro) für den Besuch eines Swimmingpools in einem Hotel. Klingt wieder nach wenig, entspräche aber ungefähr 50-60 Euro in Deutschland.
Neue Stühle für das Appartement
Bislang hatten sich die FSJ'ler immer Stühle aus dem Centre "geliehen". Nun hat man sich entschlossen, neue Stühle extra für das Appartement selber zu kaufen. Nicht allzu aufregend vielleicht, bemerkenswert ist aber die Beförderung. Gut, ich habe mal vor 100 Jahren Speditionskaufmann gelernt, aber eben nicht in Afrika, daher kannte ich das so auch noch nicht...
Das ist Cynthia aus Kamerun
Cynthia macht ebenfalls ein FSJ in Togo. Das nicht zwingend, weil sie so gerne in Togo helfen möchte, sondern weil sie eigentlich nach Deutschland will. Nun ist es nämlich so, dass man bei der deutschen Botschaft in Kamerun jahrelang auf einen Termin für ein Visum warten kann, bei der deutschen Botschaft in Lomé in Togo nur ein paar Wochen.
Weißte Bescheid?! 😜
Wenn das Müll-Loch brenntDirekt hinter dem Appartement ist das Müll-Loch. Wie man an den Vögeln sehen kann, ist es mehrere Meter breit. Dort landet von der Dose über Plastikmüll und Essensresten der gesamte Müll des Centre. Und von Zeit zu Zeit wird dieses Müll-Loch in Brand gesteckt. So ist es dann in diesem Monat geschehen und man kann sich nur ungefähr vorstellen, welch betörender Duft durch die Umgebung (und die nicht hermetisch abriegelbaren Fenster) zur Nachtzeit zieht, wenn es soweit ist.
Kleiner Tipp für eine Postkarte nach Togo
Wer rund 3,00 € übrig und Lust hat, der kann über MyPostcard wunderbar Postkarten an Julia nach Togo versenden. Man wählt ein eigenes Motiv (ein eigenes Foto) aus oder nimmt halt eine der Vorlagen, gibt die Adresse ein und schreibt ein paar Zeilen. Die Karte braucht ca. 7-14 Tage, kommt aber an :) Also: mach ein Selfie von Dir und schick es als Postkarte an folgende Adresse:
IVA Internat.Volontaire en Action
Julia-Marie Hahnefeldt
PB: 449 Kpalimé/Palimé
Region Plateaux
(die "Region" ist ungefähr sowas wie bei uns das Bundesland)
Diese Karte habe ich zum Beispiel im späten November an Julia geschickt (designed mit der MyPostcard-App am Handy):
Verrückte Geschichte zum Schluß
Wir hatten am 15.11.2021 ein Paket für Julia aufgegeben, das "Oma-Paket". Inhalt waren ein Weihnachtsgeschenk von Oma für Julia und viele kleine Süßigkeiten-Tüten und Buntstifte als Weihnachtsgeschenke von Julias Oma für die Waisenkinder im Centre. Und ausgerechnet dieses Paket ging auf dem Postweg verloren! Irgendwo in Rodgau war es zuletzt dokumentiert und kam nicht in Frankfurt zum Versand nach Togo an... bis Julia plötzlich am 17. Januar eine SMS bekam mit der Info, dass ein Paket eingetroffen sei. Zwei Monate Lieferzeit, damit ist das Teil ist unser offizieller Rekordhalter.
Dazu haben wir uns dieses Mal entschlossen, "alles, was noch so auf der Liste stand" in ein neues großes Paket zu stecken. Herausgekommen ist dabei ein fettes Paket von 9,4 Kilogramm. Da man zu jedem Paket eine Inhalts- und Wertangabe für den Zoll erstellen muss (bei der wir wegen fälliger Zollgebühren in Togo schon ziemlich großzügig abrunden) wissen wir, dass der Wert bei 150 Euro lag (also, ehrlich gesagt eher so bei 180 Euro). Dazu kamen die Versandgebühren von gut 60 Euro. Okay, das war dann auch erstmal das letzte Paket, die nächste Lieferung kommt dann mit Muttern Ende Februar.
So, genug für heute und für den Januar. Mal sehen, ob es vor Karens Abreise noch etwas zu erzählen oder zu zeigen gibt. Natürlich leben wir bei den aktuellen Coronazahlen und täglichen Ansteckungen > 200.000 in der großen Sorge, dass die Reise doch noch abgesagt werden muss. Entweder, weil man sich selbst angesteckt hat oder weil Togo oder die Deutschland die Grenzen zumachen.
Drückt uns die Daumen!!
Ach so, wer Tippfehler findet, der darf sie übrigens behalten! 😏
Pakete nach Togo... neverending Story... Meike hat auf das Paket ihrer Schwester (19.11. abgeschickt) auch bis zu dem Tag im Januar gewartet! Wir hatten das Gefühl, dass erst der Nachforschungsauftrag Bewegung in die Sache gebracht hatte...
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